Die Geschichte der Speicherstadt ist relativ jung. Sie ist selbst anschauliches Zeugnis für die zielgerichtete Kriegsvorbereitung der Nationalsozialisten. Die Heeresstandortverwaltung suchte damals ein verkehrstechnisch günstig gelegenes großes Gelände für den Bau eines Heeresverpflegungsamtes. Hier in Coerde fand man optimale Voraussetzungen. Die unmittelbare Nähe zum Bahnnetz, die gute Anbindung an die Reiter- und Artilleriekasernen an Steinfurter- und Grevener Straße und die großzügige Außenlage machten das Areal am Holtmannsweg ideal. Kurz nach der Planung 1936 begannen die Bauarbeiten, die über drei Jahre dauern sollten.
Bilder zur Bauphase
Das Ergebnis war eine fast intakte Militärstadt, deren Hauptaufgabe in der Verpflegungsproduktion und logischen Planung für die in Norddeutschland stationierten Garnisonen bestand. Zentrale Elemente waren die neun Kornspeicher. Imposant in ihrer fünfstöckigen Größe und gut zugänglich auf dem 600 m² Gelände verteilt, garantierten die beiden Silospeicher 1 und 2 und die modernen Bodenspeicher die hygienische und schnell zugängliche Lagerung riesiger Mengen von Korn und anderen Gütern.
Die Kornspeicher waren mit modernen Trocknungs- und Schädlingsbekämpfungsanlagen für die Bekämpfung der Getreideschädlinge, Reinigungs- und Wiegeeinrichtungen ausgestattet. Der vertikale und horizontale Transport verlief über ein ausgeklügeltes Förder- und Klappensystem und bediente sich elektrischer Elevatoren, die noch heute in Technik und Handhabung beeindrucken. Einzigartig und einer der Hauptgründe für die reibungslose Umwandlung in ein modernes Büro- und Kommunikationszentrum war und ist die Konstruktion. Die auf stabilen Stahlbetoneinzelfundamenten gegründeten Bauten besitzen ein Skelett aus Eisenbeton, das bei den Bodenspeichern ausgemauert und bei den Senkrechtsilos mit 14 cm starken Betonaußenwänden versehen wurde. Diese äußerst belastbare und verschleißresistente Bauart hat maßgeblich dazu geführt, dass neben den Umbaumaßnahmen heute kaum noch nennenswerte Renovierungsarbeiten anfallen. Alle Speicher sind unterkellert und mit langen Außenrampen für das Be- und Entladen von Fuhrfahrzeugen versehen. So bleibt auch heute der industrielle Charakter erhalten, dem das Gelände seinen eigenen Charme verdankt.
Die Speicher sorgten dafür, dass die Großbäckerei ihr Produktionspensum von täglich bis zu 22.000 Laiben Brot (in drei Schichten von je acht Stunden) erfüllen konnte! Der logistische Aufwand innerhalb des Geländes, das Lagern des Korns, das Abtransportieren zur auswärtigen Mühle, die Wiederanlieferung und die Verarbeitung des Mehls zu Tausenden von Broten kann man sich heute kaum mehr vorstellen. Entsprechend großräumig sieht die geländeeigene Bäckerei aus, heute attraktiver Unternehmensstandort und Veranstaltungsforum von Engbers Gastronomie & Service.
Die vielen Menschen, die auf dem Gelände arbeiteten und zum Teil sogar lebten, und die aufwendigen Transportaufgaben, die per Pferd und LKW bewerkstelligt wurden, brachten es mit sich, dass sich neben den Kornspeichern und der Bäckerei zahlreiche Nutzgebäude auf dem Gelände befanden. Fast wie in einer kleinen Stadt gab es hier eine Verbrennungsanlage, eine LKW-Wiege-Einrichtung, Garagen für den Fuhrpark, Verwaltungsgebäude, Zisternen, Garten- und Pförtnerhäuschen, Kommandatur mit Büros und Wohnhaus, Schlafunterkünfte für Wachhabende und Wohlfahrtsgebäude. Pferde bildeten lange ein zweites wichtiges Transportmittel, belegbar durch den Raum, den die vielen Ställe und mehrere Raufutterscheunen einnahmen. Ja, es gab sogar ein geländeeigenes Pferdelazarett!